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Nachsorge bei onkologischen Patienten

Den Krebs überlebt – und jetzt?

Die Fortschritte in der Krebstherapie haben dafür gesorgt, dass immer mehr Patienten diese schwere Krankheit überleben. Doch die körperliche und psychische Belastung geht nicht spurlos an ihnen vorbei. Ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung und ausgewogener Ernährung sowie einfühlsame Betreuung können die negativen Begleiterscheinungen mildern und die Lebensqualität erhöhen.
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Die Diagnose Krebs ist längst kein Todesurteil mehr. Die Lebenserwartung ist abhängig von der Art der Krebserkrankung und dem Zeitpunkt der Entdeckung. Während das 5-Jahres-Überleben beim – üblicherweise spät entdeckten – Lungenkarzinom noch immer deutlich unter 20 Prozent liegt, ist die Lebenserwartung eines Patienten mit – üblicherweise früh entdecktem – Hodentumor praktisch genauso hoch wie die eines Mannes ohne die Erkrankung.

Viele ehemalige Krebspatienten werden in den Hausarztpraxen betreut. Und immer stellt sich die Frage: Was können die Patienten tun, damit die Krankheit nicht wiederkehrt? Hohes Gewicht und schlechte Ernährung werden zunehmend mit schlechteren Überlebenschancen nach Krebs in Verbindung gebracht. Allerdings ist der Wissensstand noch unvollständig. Insgesamt hängt der weitere Verlauf von vielen individuellen Faktoren ab.

Müde und abgeschlagen

Viele ehemalige Krebspatienten klagen über rasche Erschöpfung und Abgeschlagenheit, die bereits bei geringen Belastungen auftreten. Oft kommen Störungen der Konzentrationsfähigkeit und des Gedächtnisses sowie Gefühle der Lustlosigkeit hinzu. Diese Symptome können auch lange nach dem erfolgreichen Ende einer Tumorbehandlung weiter bestehen. Im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung wird das als tumorassoziierte Fatigue bezeichnet. Bei den oft schwer fassbaren Symptomen wie Abgeschlagenheit und Müdigkeit ist es erforderlich, dass der Arzt abklärt, ob es sich um eine Depression handelt.

Einige spezifische Auslöser für Erschöpfung wie Schlafmangel (z. B. durch Schmerzen oder andere körperliche Beschwerden) oder Infekte können behandelt werden. Die Behandlung sollte sich an der individuellen Ausprägung der körperlichen und psychischen Beschwerden ausrichten und bedeutet immer ein Abwägen zwischen dem positiven Effekt von körperlicher Belastung und der eingeschränkten Belastbarkeit. Dass regelmäßige körperliche Aktivität die Schwere der Fatigue bei Krebspatienten mindern kann, gehört zum gesicherten Wissen und findet sich in den entsprechenden Leitlinien.

Schmerz

Schmerzen entstehen, wenn die vom Tumor betroffenen Organe oder Nerven geschädigt werden oder durch die onkologische Behandlung (Operation, Chemotherapie, Radiotherapie). Man unterscheidet nozizeptiven Schmerz durch thermische, mechanische oder chemische Reize (z. B. an der Haut, im muskuloskelettalen System oder im Bauchraum) und neuropathischen Schmerz als Folge einer Schädigung des Nervensystems.

Im sogenannten Total-Pain-Konzept werden körperliche (somatische), psychische und soziale Dimensionen des Schmerzes zusammengefasst. Psychischer Schmerz entsteht durch die Belastung der Krisensituation und tritt bei der Mehrheit der Krebspatienten auf. Krebs kann aber auch andere psychische Erkrankungen wie Depression oder Angststörung verstärken. Sozialer Schmerz schließlich entsteht durch ungeklärte soziale Umstände, etwa den Verlust des Arbeitsplatzes.

Bei Chronifizierung, die bei ehemaligen Krebspatienten gehäuft auftritt, kommt es zu anhaltenden Schmerzen, die sowohl somatische als auch psychische Komponenten haben. Sie treten gehäuft auf bei Patienten mit geringer sozialer Stellung, finanziellen Problemen, Depression, fatalistischer Grundeinstellung und verstärkt beim weiblichen Geschlecht.

Bewegung als Hilfe

Auch Bewegungs- und Physiotherapie haben in der Krebsnachsorge vielfältige Aufgaben. Neben der Reduktion von direkten Folgen der Krebsbehandlung wie Ödemen oder Bewegungseinschränkungen geht es dabei auch um die Verstärkung der physiologischen Körperwahrnehmung, was sich positiv auf die psychische Befindlichkeit des Patienten auswirken kann.

Mit Bewegung in Form von Kraft- oder Ausdauertraining kann man z. B. Fatigue lindern, aber auch eine Polyneuropathie verbessern. Welche Art der Bewegung am günstigsten ist, richtet sich nach der individuellen Situation der Patienten. Körperliche Aktivität kann auch Harninkontinenz und kardiologische Fitness positiv beeinflussen. Die aktuellen Empfehlungen lauten deshalb, Patienten so früh wie möglich zu Bewegung zu motivieren und anzuleiten.

Ernährung

Bei Krebspatienten besteht relativ häufig das Problem der Unter- bzw. Mangelernährung. Zu den Ursachen gehören Störungen von Geschmacks- und Geruchssinn, Schluckstörungen oder Verdauungsstörungen sowie eine Veränderung des Stoffwechsels infolge einer bei Tumoren oft zu findenden chronischen Entzündung. Das Auftreten einer Unter-/Mangelernährung ist in jedem Stadium der Erkrankung möglich – auch in der Phase der Nachsorge. Normales Körpergewicht, aktuelles Gewicht und prozentuale Gewichtsveränderung sind hier wichtige Informationen, auf deren Basis über eine mögliche Ernährungstherapie entschieden wird.

Für Patienten ohne Unter- oder Mangelernährung gelten die gleichen Grundsätze einer gesunden Ernährung wie für Patienten ohne Krebs. Eine mediterrane Kost mit viel frischem Obst und Gemüse, Fisch und wenig tierischem Fett ist allgemein von Vorteil, auch für Krebsüberlebende. Zu den Auswirkungen einer weitergehenden Umstellung der Ernährung (z. B. vegetarisch) gibt es keine gesicherten Studien.

Auch die bei Tumorpatienten oft angewendete Supplementierung mit Vitaminen oder Antioxidantien wird kontrovers diskutiert. Mangelsituationen sollen natürlich ausgeglichen werden. Diese entstehen schneller bei höherem Alter (> 70 Jahre), einseitiger Ernährung (z. B. vegan), Adipositas, chronisch entzündlichen Erkrankungen und bei Rauchern. Für sogenannte Krebsdiäten gibt es keine klinische Evidenz und oft auch keinen sinnvollen Erklärungsansatz.

Psychische Aspekte bei Krebs-Langzeitüberlebenden

Viele denken bei der Diagnose Krebs zuerst an den Schock der Diagnosestellung und die Belastung während der Behandlung. Jedoch bringt auch eine langjährige Überlebenschance Herausforderungen mit sich. Denn es geht dann jahrelang um Themen wie Angst, Unsicherheit, manchmal auch um die Verarbeitung von traumatisch erlebten Ereignissen aus der Krankheitsvorgeschichte oder die Auseinandersetzung mit dem Tod, die Gesunde lange verdrängen können.

Zunächst ist da die Angst vor einem Rezidiv oder Metastasen, die durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen aktuell gehalten wird. Bin ich wirklich nach wie vor geheilt? Was, wenn nicht? Aber auch ganz praktische Fragen der Lebensplanung sind davon betroffen, vor allem bei Krebs-Überlebenden in jüngerem Alter. Kann mein Partner mit mir diese lebenslange Unsicherheit aushalten? Kann oder will ich eine Familie gründen und Kinder haben? Soll ich einen Kredit aufnehmen? Werde ich was davon haben, wenn ich eine lange und schwere Berufsausbildung mache? Wie komme ich zurück in den Beruf? Bin ich überhaupt noch leistungsfähig?

Wenn man diese Fragen hört, wird schnell klar, wie belastend die Situation für die Betroffenen sein kann, obwohl es gar keinen akuten Anlass zur Sorge gibt. Mit der kurzen Antwort Seien Sie doch froh, dass Sie leben wird man dieser belastenden Situation nicht gerecht. Empathie, Stärkung und Begleitung können den Patienten beim Anpassen an einen abrupt veränderten Lebensweg helfen.

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