Das Magazin für Medizinische Fachangestellte

Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf MFA und Pflegefachkräfte

Wann kommt der weiße Ritter?

Nach einem aktuellen G-BA-Beschluss dürfen Modelle zur Aufgabenteilung in Zukunft nur mit examinierten Pflegekräften durchgeführt werden. MFA wurden von vornherein ausgeschlossen. Doch haben sie deshalb gar nichts mit einer veränderten Aufgabenteilung zu tun? Warten sie auf den edlen Ritter, der sie auf einem weißen Pferd aus ihrer oft geäußerten Unzufriedenheit rettet? Über mögliche Rollen unterhalten sich in einem fiktiven Gespräch Hippokrates von Kos für die Ärzte und Hildegard von Bingen für die MFA.
© L. Skat – fotolia.com;
© L. Skat – fotolia.com

Meine Liebe, ich suche für meine Hausarztpraxis eine Arzthelferin. Ich horte von Ihren Absolventinnen.

Wollen Sie ein Mädchen, eine Arzthelferin oder eine medizinische Fachangestellte?

Was ist das denn für eine Frage?

Soll es eine sein, deren personliche Motivation starker im Heilen und Helfen liegt oder eine mit Schwerpunkt Praxisverwaltung und Abrechnung?

Beides natürlich. Sie soll mir und den Patienten helfen und für gute Stimmung in der Praxis sorgen.

Soll es eine sein, der Sie vertrauen wollen?

Vertrauen wollen?

Wollen Sie eine, die ausfuhrt, was Sie anordnen oder eine, die selbstwirksam und eigenstandig arbeitet?

Das wird hier jetzt komplizierter als bei einer Dating-Agentur.

Soll es eine sein . . .

Ich will eine ARZTHELFERIN!

Sind Sie ein traditionell strukturierter oder ein modern teamorientierter Arzt?

Ich soll traditionell strukturiert sein?

Ja, diesen Eindruck habe ich manchmal. Es hat sich ja viel getan: Das Bewusstsein über den Arzthelferinnenberuf war 1965 ein anderes als heute. Früher assistierte die Ehefrau oder die Mädchen wählten zwischen den Berufen der technischen Zeichnerin, Industriekauffrau oder Arzthelferin. Eine Patientenorientierung war nicht so ausgeprägt wie in der Pflege.

Bei mir meinen Sie mit traditionell, dass der Arzt führt und das letzte Auge auf den Patienten wirft.

Sagen wir so: Tradition sollte nicht das Halten der Asche sein, sondern das Weitergeben der Flamme.

Schon. Kriege ich jetzt eine Ihrer MFA?

Nein. Ich weiß immer noch nicht, was Sie von einer MFA erwarten. Das hängt auch von Ihrer Praxisausrichtung ab.

Einzelkämpfer sind out, ich weiß.

Sehen Sie, ich bilde MFA alternativ aus, da ich die unsinnige Diskussion über Delegation und Substitution durch nicht ärztliches Personal leid war. Natürlich sind MFA keine examinierten Pflegekräfte. Ich selbst komme ja aus der Krankenpflege. Aber, die MFA und die ambulante Pflege übernehmen vor Ort gemeinsam mit den Hausärzten die Basisversorgung.

Ich stelle die HKP-Verordnung aus, Sie fahren raus.

Wohl wahr. Wir machen noch Hausbesuche.

Hildegard!

Wir müssen das Gemeinsame sehen, nicht das Trennende.

Und das wäre?

Ein Gefühl.

Ein Gefühl? Typisch Frau.

Eine Schwester AGNES gab es nicht nur im Osten, sondern auch im Westen. Die Menschen fühlten sich umsorgt von ihren Gemeindeschwestern, die in den 70er Jahren durch Sozialstationen ersetzt wurden.

Die medizinischen Möglichkeiten wurden besser und den Kirchen gingen die Diakonissen aus.

Die Medizin ist besser geworden, aber ohne Liebe wirkt sie nicht. Euer Herz, mein Lieber, schlägt den nackten Rhythmus, aber, wo ist die Melodie?

Soll ich jetzt auch noch singen?

Ziel und Zweck der Medizin ist das Heilen, die Sorge um den Patienten. Ein Arzt, der nur Diagnose, Prognose und Therapie beherrscht, lebt eine kalte Arzt-Patientenbeziehung.

Liebe ist heute in den Versichertenpauschalen nicht drin.

Selbstmitleid heftet den Menschen an sich selbst. Solange ich anderen die Schuld geben kann, muss ich mich selbst nicht ändern. Liebe ist auch eine Frage der Haltung.

Der Haltung?

Die Menschen müssen sich wieder bei uns aufgehoben fühlen.

Und wie soll ich das schaffen? Ständig ändert sich die Medizin, die Familienstrukturen zerbrechen, Einsamkeit wird zur Volkskrankheit und jeden Handschlag muss ich codieren. Ich fühle mich von Tag zu Tag unzulänglicher. Da zerbricht die Liebe zu meinem Beruf.

Ohne Liebe nimmt jeder Tag mehr als er gibt. Teilen Sie die Sorge mit Ihrem Team und anderen Helfern vor Ort. Öffnung nach außen, Stärke nach innen.

Öffnung nach außen, Stärke nach innen?

Die Hausarztmedizin muss in den sozialen Bereich hineinwirken und hier kommen die MFA mit ihrer Ortsverbundenheit und sozialen Kompetenz ins Spiel. Leider kommen Team- und Netzarbeit nicht im Hippokratischen Eid vor.

Hildchen, der Eid ist ein Mythos. Wenn Sie als Arzt von der Ärztekammer ihre Aufnahmeunterlagen bekommen, bekennen Sie sich zur Menschlichkeit und gewissenhaften Berufsausübung.

Wie die MFA, wenn sie ihren Kammerbrief entgegennehmen.

Dann kann ich eine Ihrer MFA haben?

Eine MFA-M "Management" oder eine MFA-P "Patientenversorgung"?

Wieso zwei unterschiedliche?

Sie sind nicht unterschiedlich, sie haben nur Schwerpunkte. Das Berufsbild ist schon viel zu lange unscharf.

Wir können aber jetzt nicht sofort das gesamte MFA-Ausbildungssystem auf den Kopf stellen.

Nein, das dauert länger und vor allem muss man das wollen. Meine MFA lernen auch drei Jahre im dualen System. Bis zur Zwischenprüfung gemeinsames Lernen der Grundlagen in Arbeitsrecht, Gesundheitssystem, Arbeitsschutz, Praxisorganisation, Ethik, Medizin, Labor. Nach der Zwischenprüfung Spezialisierung und Kompetenznachweise in den Praxen.

Und was kann eine MFA-M?

Abrechnung, Termin- und Qualitätsmanagement, praxisinterne Statistik, Datenschutz, Kassenanfragen, sie kennt Informationssysteme der KV und natürlich kann sie codieren.

Das Codieren gehört abgeschafft.

Sie sind mir ein edler Jahrgang. Ihre Taten werden von Ihren Patienten bezahlt, die Beitragszahler sind. Transparenz über das ärztliche Versorgungsgeschehen wird als zeitgerecht empfunden.

Aha. Und was kann die MFA-P?

VERAH, EVA, MoNi - das Curriculum der nicht ärztlichen Praxisassistentin ist bei mir regulärer Bestandteil der Primärausbildung.

Das heißt Hausbesuche, Assessments, Patientenberatung, Casemanagement...

... und vieles mehr. Die Mädels in der Berufsschule kommen aus Praxen unterschiedlicher Fachrichtungen zusammen, da wird interdisziplinär gelernt. Dazu Grundlagen der Pflege und der sozialen Arbeit. Sie sollen nicht so isoliert denken wie die Ärzte, sondern sich vor Ort vernetzen und aus den Dschungel-Camps der Hausarztpraxen eine gemeinwesenorientierte Primärversorgung aufbauen.

Ich bin Arzt, holt mich hier raus!

Die MFA träumen von Hausärzten, die sie auf einem weißen Pferd aus ihrer Unzufriedenheit herausholen. Für mehr Können, Verantwortung, Einfluss, Sozialprestige und Geld müssen MFA auch selbst kämpfen.

Einem fliehenden Pferd kannst du dich nicht in den Weg stellen, es muss das Gefühl haben, dass sein Weg frei bleibt.

Sie meinen die Ärzte und ihren Arztvorbehalt?

Im Alltag gibt es sehr fortschrittliche Kollegen, die ihre Praxis teamorientiert aufstellen. Die dringen aber politisch nicht durch. Unsere Standesvertreter unterstreichen lieber, dass MFA und Pflegekräfte keine Ärzte sind.

Darauf wären wir selbst nicht gekommen.

Ein fliehendes Pferd lässt nicht mit sich reden.

Wenn niemand eine Rollenveränderung will, dann werden wir auch fachlich und juristisch nichts neu regeln können.

Hildegard, wenn ich jetzt mein weißes Pferd hole . . .

... ATTACKE!!!!

Unsere Darsteller

  • Hippokrates von Kos (ca. 460. v. Chr.)
    Berühmtester Arzt der Antike und Namensgeber des Hippokratischen Eides. Autor und Entstehungsgeschichte des Eides sind unklar und den meisten Ärzten ist der Wortlaut heute unbekannt. Der Begriff erinnert daran, dass ärztliches Handeln moralischen und ethischen Gesetzen unterliegen sollte.
  • Hildegard von Bingen (1098-1179)
    Benediktiner Nonne, verfasste im Mittelalter weitreichende theologische, philosophische, politische und heilkundliche Schriften. Mit dem Christentum kamen die Konzepte der Nächstenliebe und Menschenwürde für jeden in die Welt. Barmherzigkeit dient in ganz besonderer Weise der Orientierung in der Welt. Alles was lebt, hat einen Urtrieb nach liebender Umarmung.

Sonja Laag