Das Magazin für Medizinische Fachangestellte

Alkoholsucht

Dunkles Geheimnis

Alkoholsucht wird von den Betroffenen gerne verheimlicht, lässt sich aber nur mit professioneller Hilfe therapieren. Die Hausarztpraxis spielt bei Früherkennung und Therapie eine wichtige Rolle.
© Axel Bueckert - fotolia.com
© Axel Bueckert - fotolia.com

Alkoholismus ist eine schleichende Krankheit. Sie kann jeden betreffen, der Alkohol konsumiert. Dabei kommt es weniger auf die Menge an als auf die Regelmäßigkeit des Alkoholkonsums und die Gründe dafür. Rund 75 Prozent der Alkoholkranken suchen mindestens einmal im Jahr mit Symptomen wie Bluthochdruck, chronischen Magenbeschwerden oder psychosomatischen Störungen die Hausarztpraxis auf. Das Hauptproblem ist, dass das Alkoholproblem oft nicht erkannt wird. Wichtig ist also, betroffene Patienten herauszufiltern, um sie dann entsprechend behandeln zu können. Das kann zum Beispiel mit einem kurzen Screening-Bogen wie dem Audit-C geschehen, der in die Praxisroutine eingebaut werden kann (siehe Webtipps).

Entscheidend ist der feinfühlige Umgang mit dem Thema. Das konfrontative Ansprechen des Alkoholproblems, (Sie haben ein Alkoholproblem!) bewirkt bei den meisten Patienten Abwehr und Widerstand. Dennoch ist es wichtig, dass das Thema vom Arzt angesprochen wird. In Studien wurde nachgewiesen, dass selbst kurze ärztliche Gespräche einen längerfristigen positiven Effekt auf die Reduktion des Alkoholkonsums haben. In allen Phasen der Erkrankung ist die wertschätzende Motivation hilfreich. Als MFA können Sie gegenüber dem Patienten Ihre Sorge ausdrücken, wenn Sie eine Verschlechterung seiner Gesundheit wahrnehmen. Zugleich können Sie ihn ermuntern, ein offenes Gespräch mit dem Arzt zu führen, um eine Perspektive zur Veränderung zu finden.

Seit April 2015 gibt es eine Leitlinie Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen, in der die evidenzbasierten Fakten zu Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung zusammengetragen sind. Einige Definitionen sind hilfreich für die tägliche Arbeit:

Risikoarmer Konsum mit bis zu 24 g Reinalkohol pro Tag für Männer (z.B. zwei Gläser Bier à 0,3 l) und bis zu 12 g Reinalkohol für Frauen.

Riskanter Alkoholkonsum mit über 24 g Reinalkohol und mehr als 12 g Reinalkohol für Frauen.

Rauschtrinken als risikoreiche Einnahme von großen Alkoholmengen innerhalb kurzer Zeit.

Akute Intoxikation (ICD-10, F10.0) mit Störungen des Bewusstseins, der kognitiven Funktionen oder anderer psychophysiologischer Funktionen und Reaktionen.

Schädlicher Alkoholgebrauch (ICD-10, F10.1), bei dem eine nachweisliche Folgeschädigung der psychischen oder physischen Gesundheit des Konsumenten aufgetreten ist.

Beim Alkoholabhängigkeitssyndrom (ICD-10, F10.2) müssen mindestens drei der folgenden Kriterien während des letzten Jahres gemeinsam erfüllt gewesen sein:

  • ein starkes Verlangen, Alkohol zu konsumieren
  • Schwierigkeiten, die Einnahme zu kontrollieren
  • ein körperliches Entzugssyndrom, wenn die Substanz reduziert oder abgesetzt wird
  • Toleranzentwicklung gegenüber den Wirkungen der Substanz (d. h. Trinkmenge wird weiter gesteigert)
  • fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen und sozialer Kontakte
  • fortdauernder Alkoholgebrauch trotz des Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen (z. B. Jobverlust)

Das Praxisteam unterstützt

Je nachdem, wie die ärztliche Diagnose ausfällt und an welchem Punkt der Veränderungsbereitschaft der Patient steht, können unterschiedliche Wege sinnvoll sein. Die Möglichkeiten reichen von der Selbsthilfegruppe über die Suchtberatungsstelle bis zu ambulanter, tagesklinischer oder stationärer Entwöhnung und Reha. Eine besonders niedrigschwellige Hilfe kann das wissenschaftlich geprüfte Online-Selbsthilfeprogramm http://www.selbsthilfealkohol.de sein. Es ist anonym und kostenfrei- und kann sofort begonnen werden. Das ist besonders hilfreich, wenn sich Betroffene noch nicht trauen, persönliche Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen.

Viele betroffene Patienten erleben die offenen Gespräche in Selbsthilfegruppen als Entlastung. Sie lernen dort, mit Schamgefühlen umzugehen. Das Akzeptieren des eigenen Problems und den damit verbundenen schädlichen Auswirkungen auf Gesundheit, Familie , Arbeits- und Sozialleben hilft, weitere Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Sie können Betroffene erreichen, indem Sie Informationen über regionale Selbsthilfegruppen oder Suchtberatungsstellen mit detaillierten Informationen zu Zeit, Ort und Art des Angebotes im Wartezimmer auslegen.

Auch die Lebenspartner von Alkoholikern befinden sich oft in einer schwierigen Situation. Aus Ansprüchen wie den Schein zu wahren, Kinder zu schützen und loyalem Verhalten dem Trinker gegenüber entsteht manchmal ein Verhalten, das den Alkoholiker schützt und so sein Trinken unbeabsichtigt unterstützt. Die Suchtforscher sprechen dann von einer Co-Abhängigkeit. Daher gibt es in vielen Regionen auch Angebote für Angehörige, über die Ihre Praxis informieren kann.

Symptome für eine mögliche Alkoholsucht

Die folgenden Symptome können Anzeichen für eine Alkoholsucht sein:

  • Müdigkeit und gehäufte Arbeitsunfähigkeitszeiten
  • Schwindel
  • Magenbeschwerden
  • Rückenbeschwerden
  • Unsicherheit
  • Schlafstörungen
  • Erektionsstörungen
  • Schwitzen
  • Gangunsicherheit
  • Zittern der Hände
  • psychische Veränderungen wie Reizbarkeit, Aggressivität, Depression

Webtipps