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Schwindel

Wenn sich alles plötzlich dreht

Schwindel ist keine eigene Krankheit, vielmehr ein Symptom, das verschiedene Ursachen haben kann. 20 bis 30 Prozent aller Patienten sind irgendwann in ihrem Leben davon betroffen. Doch für alle Formen von Schwindel gilt: Die Patienten haben meist eine gute Prognose. Und die häufigste Form von Schwindel kann mit Lagerungsübungen einfach und wirksam behandelt werden.
© pathdoc - fotolia.com
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Schwindel kann sich ganz verschieden äußern – mal als unangenehme Störung der räumlichen Orientierung, mal als Wahrnehmung einer Bewegung des Körpers oder der Umgebung, die tatsächlich gar nicht stattfindet. Schwindel ist neben Kopfschmerz das häufigste Leitsymptom überhaupt und gehört in der Hausarztpraxis zur alltäglichen Routine. In der medizinischen Fachsprache wird Schwindel als Vertigo bezeichnet. Die korrekte Diagnose ist mitunter schwierig und erfordert häufig die Zusammenarbeit mit Neurologen, Internisten, HNO-Ärzten und anderen Fachgruppen. Die Unterscheidungskriterien bei Schwindel sind:

  • Art des Schwindels: Drehschwindel fühlt sich an wie Karussell fahren, Schwankschwindel eher wie Boot fahren. Dazu kommt der sogenannte Benommenheitsschwindel, der häufig von Medikamenten herrühren kann.
  • Dauer des Schwindels: Schwindelattacken können kurz sein (Sekunden bis Minuten) oder bis zu Stunden anhalten. Bei manchen Erkrankungen kann es auch zu tagelangem Dauerschwindel kommen.
  • Auslösbarkeit und Verstärkung des Schwindels: Manche Schwindelformen treten bereits in Ruhe auf, andere werden erst beim Gehen bemerkt oder durch Kopfdrehungen nach rechts oder links ausgelöst. Auslöser kann auch ein Umdrehen im Bett sein, zum Beispiel bei der häufigsten Form von Schwindel, dem gutartigen Lagerungsschwindel. Schwindel kann auch durch bestimmte Umgebungssituationen ausgelöst werden, zum Beispiel beim phobischen Schwankschwindel.
  • Begleitsymptome: Sie können vom Innenohr ausgehen (Tinnitus), das Sehen beeinträchtigen (Doppelbilder), sowie Sensibilitäts-, Schluck- und Sprechstörungen oder Lähmungen beinhalten und weisen dann auf die neurologische, zum Teil akut behandlungsbedürftige Ursache des Schwindels hin. Auch Kopfschmerzen können ein Begleitsymptom sein.

Formen des Schwindels

Wenn die Ursachen des Schwindels direkt oder indirekt im Gleichgewichtssystem liegen, spricht man von vestibulärem Schwindel. Je nach Lokalisation unterscheidet man peripheren Schwindel (Schaden am Gleichgewichtsorgan im Ohr oder am Gleichgewichtsnerv) vom zentralen Schwindel (Ursachen im Gehirn). Vestibulärer Schwindel mit peripheren Ursachen tritt am häufigsten auf als:

  • Gutartiger Lagerungsschwindel (benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwindel, BPPV). Meist entsteht er dadurch, dass sich im höheren Alter im Innenohr kleine Kalksteinchen lösen und an der Kuppel des hinteren Bogengangs anlagern: Durch ihr Gewicht verursachen sie eine Funktionsstörung des hinteren Bogengangs im Innenohr, der daraufhin überempfindlich auf Drehbeschleunigungen reagiert. Dadurch entstehen kurze Drehschwindel-Attacken nach Bewegung des Kopfes oder des Körpers.
  • Morbus Menière: Die genauen Ursachen der Erkrankung sind unbekannt. Sie wird durch eine Ansammlung von Flüssigkeit (Endolymphe) im Innenohr ausgelöst. Charakteristisch sind minuten- bis stundenlange Attacken mit Drehschwindel, Tinnitus, Hörminderung und Druckgefühl.
  • Akute Entzündung des Gleichgewichtsnervs (Neuritis vestibularis): Als möglicher Auslöser einer solchen Entzündung gilt eine Virusinfektion des Nervs, etwa mit Herpes-Viren. Typisch hierfür sind anhaltender Drehschwindel mit Übelkeit und Erbrechen sowie Fallneigung zu einer Seite.

Ein vestibulärer Schwindel mit zentralen Ursachen kommt zum Beispiel bei bestimmten Formen von Migräne, Gefäßerkrankungen oder degenerativen Erkrankungen des Gehirns vor. Als Ursachen für Schwindel kommen auch einige Medikamente infrage: So können zum Beispiel Mittel gegen Bluthochdruck, Depression, Epilepsie und Migräne, Beruhigungsmittel sowie bestimmte Antibiotika Schwindel als Nebenwirkung hervorrufen. Zudem können Alkohol- und Drogenkonsum dazu führen, dass den Betroffenen schwindelig ist. Als Schwindelursachen kommen auch Störungen infrage, die nichts mit dem Gleichgewichtssystem zu tun haben (nicht-vestibulärer Schwindel). Dazu gehören:

  • Augenerkrankungen mit Sehstörungen
  • Blutdruckveränderungen
  • Herzrhythmusstörungen
  • Nervenerkrankungen
  • Vergiftungen
  • Unterzuckerung durch ungenügende Nahrungsaufnahme oder Diabetes.

Schwindel kann auch seelische Ursachen haben, man spricht dann von psychogenem Schwindel. Auslöser können Stress, Konflikte oder Angst sein, typisches Beispiel ist phobischer Schwankschwindel: Diese Schwindelart entsteht vor allem in bestimmten Situationen, die vom Betroffenen als unangenehm erlebt werden – etwa beim Laufen über eine Brücke oder in leeren Räumen. Betroffene beschreiben wechselnden Benommenheitsschwindel, der eine Gangunsicherheit auslöst. Daraus kann sich ein Vermeidungsverhalten entwickeln.

Gute Prognose

Für alle beschriebenen Formen des Schwindels gilt: Die Patienten haben meist eine gute Prognose. Viele Formen haben einen günstigen Spontanverlauf. Die häufigste Form, der gutartige Lagerungsschwindel, kann zudem gut mit sogenannten Befreiungsmanövern therapiert werden. Oft genutzt ist das Verfahren nach Semont, das im Bild unten schematisch dargestellt ist und das der Patient mehrmals täglich je drei mal hintereinander durchführt (detaillierte Beschreibung siehe Webtipp). Diese Form der Therapie kann umgehend beendet werden, wenn sich am jeweils nächsten Tag kein Schwindel mehr auslösen lässt.

© Universität München
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Das Deutsche Schwindelzentrum in München bietet auf seiner Website Anleitungen für therapeutische Übungen bei Lagerungsschwindel an (siehe Webtipp). Die abgebildete Übung sollte angewendet werden, wenn der rechte hintere Bogengang betroffen ist.

Webtipp

Website des Deutschen Schwindel- und Gleichgewichtszentrums mit Anleitungen für therapeutische Übungen zum Download unter:
http://bit.ly/23UBoqo