Das Magazin für Medizinische Fachangestellte

Übergaben in der Praxis

Das Öl im Getriebe

Eine Praxis soll möglichst reibungslos und störungsfrei laufen. Der Schmierstoff für die gut geölte Zusammenarbeit sind die Übergaben. Da greift ein Rädchen ins andere und der Laden läuft rund. Mit ein paar Tricks geht es noch sicherer.
© antonmatveev - stock.adobe.com
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Fragt man Helferinnen, wo es in ihren Praxen Übergaben gibt, sieht man erstaunte Gesichter. Übergaben wie im Krankenhaus am Pflegebett – das gibt es bei uns nicht, meint Neli Kircheva aus der Praxis Dr. Aigner in München. Erst bei genauem Nachfragen wird klar: Die MFAs übergeben natürlich ihre Aufgaben. Es gibt nur oft keine standardisierten Verfahren dafür. Bei uns kann jeder alles. Wir machen das auf Zuruf. In kleinen Praxen mit einem Arzt und zwei gut eingespielten Helferinnen mag Zuruf und gelber Post-it am Computer genügen. Mit ein paar Tricks geht es aber auch in der kleinen Praxis sicherer. Und in größeren Praxen sind Übergabe-Routinen Pflichtprogramm.

Die täglichen Aufgaben und laufenden Vorgänge werden an ganz verschiedenen Schnittstellen übergeben: Vor einem freien Tag, bei Schichtwechsel, vor Urlauben. Wenn eine neue Mitarbeiterin eingelernt werden soll oder eine Stammkraft in Rente geht, dann stehen große Übergaben an. Denn neben den Routinen der Praxis wird auch zwischenmenschliches Wissen weitervererbt: Welcher langjährige Patient verträgt die Infusion nur, wenn sie langsam läuft oder braucht ein Taxi nach dem Termin, welche Sonderwünsche hat der Chef usw. Dieses versteckte Wissen kann am besten persönlich weitergegeben werden. Für die Routinen aber gibt es Hilfestellung.

Die Teambesprechung

Alle zwei Wochen treffen sich in der Praxis Dr. Aigner dienstags nach dem Mittagessen alle Mitarbeiterinnen zur Teambesprechung. Die sind die Basis unserer Zusammenarbeit, meint Neli, MFA im zweiten Lehrjahr. Besprochen wird nicht nur, wer wann welche Aufgaben übernimmt, Post holt, Labor oder EKG macht, die Geräte sterilisiert oder wer in Urlaub geht. Das Team reflektiert auch gemeinsam über Fehler und überlegt, wie sie in Zukunft zu vermeiden sind. Daneben ist das Treffen bei einer Tasse Kaffee auch immer eine Schmiede fürs Gemeinschaftsgefühl.

Der Laufzettel

In der Praxis Dr. Malaka in München startet jeder Tag kurz vor Praxisöffnung mit einer informellen Blitzbesprechung: Sind heute aufwendigere Termine geplant? Geht es allen gut? Ergänzt wird die persönliche Übergabe von Kollege Computer. Pro Patient wird bei der ersten Anmeldung ein strukturiertes, tabellarisches Dokument als digitaler Laufzettel angelegt. Darin werden alle relevanten Daten eingetragen und ständig ergänzt. Name, Geburtsdatum, Befunde, anstehende Arbeitsschritte: Untersuchungen wie EKG und Labor, Wiedervorstellungen, Überweisungen, Rezepte, Telefonate und besondere Absprachen. Was schon erledigt ist, wird einfach jeweils mit Datum und Bearbeiter-Kürzel abgehakt. So sehen alle Mitarbeiter auf einen Blick, was pro Patient noch unerledigt ist.

Interview

Sabine ist MFA in einer großen Hausarztpraxis in München.

Wie funktioniert das Wissensmanagement in Ihrer Praxis?

Unser Chef sagt immer: Alles was nicht dokumentiert ist, wurde auch nicht gemacht. Deswegen schreiben wir in unsere digitale Patientenakte alles rein, jedes Telefonat, jede Absprache.

Wie erkennen Sie dann, welche laufenden Vorgänge noch zu erledigen sind?

Alles was noch zu machen ist, ist rot geschrieben. Das gibt das Praxissystem so vor. Wenn es erledigt ist, kommt ein Kürzel dahinter, bei mir SA.

Wie kommen Sie mit dem System klar?

Ich finde es sehr praktisch, weil man immer weiß, um was es geht, wenn man in die Akte schaut. Man sieht alle Stammmedikamente und wird sogar erinnert, wenn zum Beispiel eine Koloskopie oder eine Impfung ansteht. Ich bin froh, dass das die Post-Its abgelöst hat.

Der Übergabe-Ordner

 © AOK
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Besonders vor Urlauben hat sich in einem großen Münchner MVZ mit drei Hausärzten und 14 anderen Fachärzten der digitale Übergabe-Ordner bewährt. Er ist zuverlässiger Ersatz für die Zettel am Computer. Der Ordner trägt immer die gleiche Benennung, nur das Datum wird aktualisiert. Die zuständige MFA legt ihn zentral im System für alle auffindbar ab und füttert ihn mit sämtlichen noch offenen Vorgängen, wie noch zu erledigende Rückrufe, fehlende Rezepte oder Überweisungen.

Am besten wird der Ordner gut strukturiert in einem eigenen Formular geführt. Welche Aufgabe ist in welchem Bearbeitungsstand? Wer ist alles involviert? Gibt es Absprachen und Termine? Tipp: Es macht keinen Sinn, diesen Ordner erst am letzten Tag vor dem Urlaub zu füllen, sondern schon in den Tagen davor – immer dann, wenn etwas auffällt, sofort eintragen.

Das QM-Handbuch

Leitfaden für alle Praxismitarbeiter und daher auch Navigationssystem für alle Übergaben ist bei allen befragten Praxen das QM-Handbuch. Darin sind alle Abläufe in der Praxis strukturiert beschrieben, in detaillierten Arbeitsschritten und mit Checklisten für jeden Bereich, von der Vorbereitung der Sprechstunde über die Hygienemaßnahmen bis zur Erhebung der Patientendaten.

Besonders zum Einsatz kommt das Handbuch, wenn eine neue Mitarbeiterin eingelernt wird. Denn darin findet sie übersichtlich das gesammelte Praxis-Wissen. Allein auf das Handbuch darf die Mitarbeiterin aber nicht gestellt sein. Am besten wird der Neuen eine Patin zur Seite gestellt, die sie in den ersten Tagen unter die Fittiche nimmt und ihr neben der Einweisung auch das Gefühl gibt, willkommen zu sein.

Bewährt für die Vermittlung der Arbeitsschritte hat sich die Vier-Stufen-Methode.

  • Stufe 1 Vorbereitung: Erklären, warum ein Arbeitsschritt so gemacht wird.
  • Stufe 2 Vormachen: Je nach Schwierigkeitsgrad der Aufgabe gerne auch mehrmals und mit ausführlichen Erläuterungen.
  • Stufe 3 Ausführen lassen: Jetzt darf die Neue selbst ran und ausprobieren, wie sie mit dem Vorgang klarkommt. Alle Rückfragen sind erlaubt.
  • Stufe 4 Besprechen: Welche Fragen sind noch offen? Wo gab es Schwierigkeiten?

Schritt 4 ist besonders wertvoll für die Praxis, denn die Neue überprüft dabei automatisch den Prozess und deckt Fehler und Schwächen auf. Denn Routine macht manchmal betriebsblind. So ist jede Übergabe eine Chance, noch besser zu werden. Passt das QM-Handbuch noch oder können einige Prozesse verbessert werden? Welche Übergabe
Routinen bringt die Neue aus ihrer alten Praxis mit? Darüber reden hilft beiden, den Stammkräften und der neuen MFA. Denn offene Kommunikation gepaart mit klarer Struktur in den Arbeitsvorgängen – das ist das Öl im Getriebe für eine reibungslos laufende Praxis.

Checkliste Übergabe: Struktur für die Praxis

  • Sind alle Passwörter für den Computer auffindbar?
  • Sind die Schlüssel für Zimmer und Post griffbereit?
  • Sind die Telefonnummern für Taxi, Notarzt, Krankenhäuser, Service-Hotline aktuell und gut sichtbar?
  • Protokollblatt für die Teamsitzung: Wer macht was bis wann?
  • Übergabe-Ordner: Zentral im System ablegen. Datum nicht vergessen.
  • Laufzettel pro Patient: Tabellarisch zum Eintragen der Arbeitsschritte, mit Kästchen zum Abhaken.
  • QM-Handbuch: Sind die beschriebenen Arbeitsschritte noch aktuell?