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Umgang mit aggressiven Patienten

Rezept gegen Gewalt

Nicht nur Rettungssanitäter und Notärzte sind potenziell von Gewalt durch Patienten betroffen - auch für Hausärzte und ihr Team ist das leider ein Thema. Deshalb sollten Sie für potenzielle Gefahrensituationen in der Praxis gewappnet sein.
© Elnur - stock.adobe.com
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Laut einer bundesweiten Studie der Technischen Universität München von 2015 waren neun von zehn Hausärzten schon Opfer von aggressivem Verhalten ihrer Patienten. Die Aggression kann dabei verschiedene Eskalationsstufen erreichen. In drei von vier Fällen sind es Beschimpfungen oder Beleidigungen (73 Prozent), aber mehr als die Hälfte der Befragten berichtete auch von Sachbeschädigungen und Diebstahl (54 Prozent). Und jede fünfte Praxis berichtete von schwerwiegender Aggression.

Warum gehen Patienten auf Menschen los, die ihnen helfen wollen? Mitunter spielen Alkohol- und Drogenmissbrauch eine Rolle, oft liegt die Ursache eines aggressiven Verhaltens auch an einer psychiatrischen Erkrankung.

Die erste Stufe ist praktisch immer verbale Gewalt, also Beleidigungen, Beschimpfungen und Pöbeleien. Um dem gezielt entgegen treten zu können, muss das Thema Gewalt zunächst einmal aus der Tabu-Zone geholt werden - ein klassischer Fall für das nächste Teammeeting. Denn durch feste Absprachen, wie im Fall der Fälle zu verfahren ist, entsteht für alle mehr Verhaltenssicherheit. Die Einstellung Uns passiert schon nichts, wir sind ja die Guten! hilft nicht weiter

Konfliktvermeidung

Aggressives Verhalten kann oft im Vorfeld erkannt und dann in den allermeisten Fällen entschärft werden. Kommunikation ist dabei also das A und 0. Wenn sich eine Situation am Empfang oder in der Sprechstunde hochzuschaukeln beginnt, entscheiden oft vermeintliche Kleinigkeiten, ob sie am Ende irgendwann eskaliert.

Lassen Sie sich keinesfalls auf einen verbalen Schlagabtausch ein und versuchen Sie konsequent Sachebene und emotionale Ebene zu trennen. Holen Sie Ihren Gesprächspartner wieder auf die Sachebene zurück, wenn es ins Persönliche driftet.

Mitgefühl kann beim Gegenüber oft für eine emotionale Bestätigung sorgen und damit sein Aggressionspotenzial reduzieren. Wichtig sind dabei offene Körper- bzw. Sitzhaltung und Blickkontakt. Fragen Sie den Patienten ruhig nach seinen Gefühlen: Sie wirken angespannt. Was fehlt Ihnen? Und besteht tatsächlich ein gewisser Anlass zur Kritik, greifen Sie den Punkt einfach auf: Es tut uns leid, dass es heute etwas länger dauert ...

Mit verbaler Deeskalation lassen sich aber nicht alle Situationen retten. Wenn es trotzdem zu einem direkten Angriff kommt, lautet die wichtigste Sicherheitsregel: Weg vom Angreifer, weg aus der Situation. Wenn Sie also körperlich bedroht werden: Distanz herstellen (doppelte Armlänge), Arme hoch (vor die Brust) und Schutz hinter einem Hindernis (z. B. Tisch) suchen. Holen Sie sich umgehend kollegiale Unterstützung, sofern es möglich ist. Denn eine personelle Überlegenheit führt häufig zur Beruhigung der Situation. Die Anwendung körperlicher Abwehrtechniken sollte das allerletzte Mittel der Gefahrenabwehr sein. Manche KVen bieten Kurse für Ärzte und Praxisteams zum deeskalierenden Umgang mit Patienten und zur Vermeidung von tätlichen Übergriffen an.

Checkliste: Umgang mit schwierigen Patienten

  • Halten Sie sich an das Zwei-Personen-Prinzip, d. h. bleiben Sie mit schwierigen Patienten nie allein.
  • Achten Sie auf ausreichende Distanz zu Patienten und Besuchern, beispielsweise durch einen soliden Empfangstresen.
  • Bewahren Sie dort keine Gegenstände offen auf, die als Waffen oder Wurfgeschosse eingesetzt werden können (Scheren, Brieföffner, Locher, Hefter).
  • Bereiten Sie sich auf mögliche Gefahrensituationen vor. Spielen Sie solche Situationen im Praxisteam durch.
  • Üben Sie dabei den Umgang mit aggressivem Verhalten. Legen Sie Regeln fest, zum Beispiel zum Alarmieren der Polizei.