Das Magazin für Medizinische Fachangestellte

Boostern, Impfdiskussion und Bonusfrust

Update: Impfen in der Hausarztpraxis

Die Pandemie verlangt MFA weiterhin alles ab. Booster-Impfungen und die Omikron-Welle dominieren die Arbeit in den Praxen, viele Patienten sind verunsichert. Zudem wächst der Frust über den nicht gezahlten Pandemie-Bonus.
© insta_photos – stock.adobe.com
© insta_photos – stock.adobe.com

Die in Deutschland zugelassenen COVID-19-Impfstoffe schützen effektiv vor schweren Erkrankungen, daran gibt es keinen Zweifel. Doch nicht für alle Zeiten. Da der Impfschutz mit der Zeit nachlässt und die Immunantwort zudem individuell verschieden stark ist, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) für alle Geimpften ab 12 Jahren eine Auffrischungsimpfung frühestens drei Monate nach der letzten Impfung. Eine solche Auffrischungsimpfung, häufig auch als Booster-Impfung bezeichnet, erhöht den Impfschutz wieder deutlich. Die STIKO betont dabei auch, dass ältere oder vorerkrankte Personen – die Patienten, die wir am häufigsten in der Praxis sehen –wegen des höheren Risikos für einen schweren Verlauf von COVID-19 bei den Auffrischungsimpfungen bevorzugt berücksichtigt werden sollen. Laut STIKO sind die beiden dafür zugelassenen mRNA-Impfstoffe (Comirnaty und Spikevax) hinsichtlich ihrer Wirksamkeit völlig gleichwertig. Bei der Optimierungsimpfung nach einmaliger Impfung mit dem Vakzin von Johnson + Johnson handelt es sich um keine Booster-Impfung. Der ursprünglich angenommene Impfschutz von einer einmaligen Impfung mit diesem Impfstoff ist nicht ausreichend. Hier ist eine zweite Impfung zur Vervollständigung notwendig. Die zweite Impfung empfiehlt die STIKO bereits ab vier Wochen nach der ersten Spritze mit einem mRNA-Impfstoff.

Omikron gibt den Takt vor

Die aktuell rasante Verbreitung der Omikron-Variante von SARS-CoV-2 erhöht die Notwendigkeit für eine Auffrischungsimpfung. Denn Studien deuten auf einen deutlich verringerten Impfschutz gegenüber dieser Variante hin. Dieser nimmt bereits drei bis vier Monate nach Grundimmunisierung signifikant ab. Nach Verabreichung einer Auffrischimpfung steigt die Schutzwirkung gegenüber einer symptomatischen Infektion mit der Omikron-Variante jedoch wieder deutlich an, und die Experten gehen davon aus, dass durch eine Auffrischungsimpfung auch der Schutz vor schweren COVID19-Verläufen nach Infektion mit der Omikron-Variante zunimmt.

Zu den häufigsten Fragen von Patientinnen und Patienten gehört diese: „Wie schnell wirkt denn die Booster-Impfung jetzt?“ Eine Ende Oktober 2021 im Fachblatt „The Lancet“ veröffentlichte Studie hat einen Impfschutz ab sieben Tagen nach der Booster-Impfung ermittelt; eine Studie aus Israel berichtet ab 12 Tagen nach der Verabreichung eine um den Faktor 11,3 gegenüber der Gruppe ohne Auffrischungsimpfung verringerte Infektionsrate. Die Rate der schweren COVID-Erkrankungen war um den Faktor 19,5 niedriger.

Unabhängig davon, mit welchem Impfstoff die Erst- und Zweitimpfung erfolgte, wird für die Auffrischungsimpfung ein mRNA-Impfstoff (BioNTech oder Moderna) verwendet. Beide mRNA-Impfstoffe sind gleichermaßen für eine Auffrischung geeignet: Sie sind wirksam, sicher und effizient. Die STIKO empfiehlt für alle Personen unter 30 Jahren und Schwangere ausschließlich eine Impfung mit dem Impfstoff von BioNTech. Für Menschen über 30 sind beide mRNA-Impfstoffe gleichermaßen geeignet.

Die leidige Impfdiskussion

Demonstration mit Plakat
© Ärzte Zeitung
Mit verschiedenen Aktionen haben MFA ihrem Unmut über die aktuelle Situation in den vergangenen Monaten Luft gemacht.

Viele Patienten stellen die Impfung infrage, weil auch Geimpfte erkranken und teilweise sogar schwer. Mit solchen Patientinnen und Patienten zu diskutieren ist schwierig, aber auf jeden Fall einen Versuch wert. Dabei ist es wichtig, mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu überzeugen, ohne dabei den Bogen zu überspannen. Also möglichst auf medizinische Fachtermini verzichten und die Patientinnen und Patienten nicht überfordern.

Zu den Fakten: Amerikanische Forscher haben die Daten von rund 1,2 Millionen Corona-Patienten mit vollständiger Grundimmunisierung analysiert. Schwere Krankheitsverläufe traten dabei nur selten auf. Diese Daten beruhten allerdings noch auf anderen Virusvarianten. Aktuell mit der Omikron Welle sind die Impfdurchbrüche deutlich höher. Bisher gibt es kaum Studien, die den Schutz der Impfstoffe unter der Omikron-Variante vor schwerer Erkrankung untersuchen, auch wenn die nach wie vor eher niedrigen Zahlen von Hospitalisierung darauf hinweisen, dass der Schutz vor schweren Verläufen bei vollständiger Impfung (zwei Impfungen) gut ist.

Anhand der Daten konnten die Forscher acht Faktoren ausmachen, die die Gefahr eines schweren Krankheitsverlaufs trotz Impfschutz steigern. Dazu gehören hohes Lebensalter, geschwächtes Immunsystem und chronische Erkrankungen. Bei allen Personen mit einem schweren Krankheitsverlauf lag mindestens ein Risikofaktor vor, bei fast allen, die starben, waren es mindestens vier dieser Risiken.

Die Studie zeigt, wie wirksam die Impfung gegen einen schweren Krankheitsverlauf ist und dass vor allem für Risikogruppen eine Auffrischungsimpfung wichtig ist. Die Auffrischimpfungen sorgten in den Hausarztpraxen für einen erheblichen Aufwand. Dass ein steuerfinanzierter Coronabonus nicht in Sicht ist, hat viele MFA frustriert. Aber der Gesundheitsminister hat durchblicken lassen, dass er sich mit der KBV im Austausch über ein Bonussystem für Arztpraxen befindet.

www.zusammengegencorona.de

Kommentar

Portrait
Hannelore König
Präsidentin Verband medizinischer Fachberufe e.V

13 von 14 COVID-Fällen werden ambulant versorgt. Seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 leisten MFA Außergewöhnliches. Wir mussten zunächst erkrankte Patientinnen und Patienten ganz ohne Schutzkleidung behandeln, haben dann die wechselnden Teststrategien durchlitten und dabei die Engpässe des öffentlichen Gesundheitsdienstes aufgefangen. Wer hat den Patienten denn die Quarantäne- und Isolationsregeln immer wieder erklärt? Das waren die Hausarztpraxen und dort häufig die MFA. Dafür wurden wir dann noch beschimpft, weil die Praxen völlig überlastet waren und nicht genügend Impfstoff verfügbar war.

Seit Herbst 2021 wird geboostert und geboostert. Ohne MFA, die mitgeimpft haben, wäre auch das 30 Millionen-Ziel bis Ende des Jahres nicht zu halten gewesen. Von daher wäre ein Corona-Sonderbonus aus staatlichen Mitteln jetzt fraglos ein Zeichen, dieses Engagement endlich einmal wertzuschätzen. Und es ist absurd, dass die Politik diese Geste nach wie vor verweigert.

Die Lage an der Basis würde ich mittlerweile als dramatisch bezeichnen. Die meisten MFA sind richtig wütend, dass sie schon wieder vergessen werden. Was aber vielleicht noch schlimmer ist: Wie ich so höre, denken etliche MFA darüber nach, dem Beruf den Rücken zu kehren, obwohl sie ihn gerne und mit Leidenschaft ausüben. Wenn MFA sich aber umorientieren, weil sie am Ende sind mit ihren Kräften und das Gefühl haben, dass man ihren Einsatz nicht wertschätzt, wird letztlich der Fachkräftemangel in den Arztpraxen noch verschärft. Und das ist gar keine gute Perspektive.